Infothek

Gleich eine Operation? Nicht unbedingt!

Durch eine Behandlung mit modernen Medikamenten, Toiletten- und Miktionstraining und eine örtliche Behandlung mit weiblichen Hormonsalben- oder zäpfchen kann in vielen Fällen schon eine Besserung herbeigeführt werden.

Insbesondere Übungsbehandlungen wie Krankengymnastik, Elektrostimulation und Biofeedback erhalten bei uns durch die enge Kooperation mit speziell ausgebildeten Physiotherapeutinnen einen besonderen Stellenwert.

Wichtige konservative Therapieformen im Überblick

Beckenbodengymnastik

Eine Beckenbodenschwäche ist häufige Ursache besonders einer Belastungsinkontinenz. Aber auch für Senkungsbeschwerden und Dranginkontinenz spielt der Beckenboden eine wichtige Rolle.

Wie im Abschnitt Beckenboden bereits erläutert wurde, ist die Muskulatur des Beckenbodens – wie die übrige Skelettmuskulatur auch – bewusst steuer- und damit auch trainierbar. Eine gezielte Beckenbodentherapie steht deshalb oft an erster Stelle der Therapiemöglichkeiten.

Das Beckenboden- und Kontinenzzentrum verfügt über ein Team von speziell ausgebildeten Physiotherapeuten, die zunächst in Einzelsitzungen mit ihnen verschiedene Übungen erarbeiten. Später können sie dieses Training in Gruppen weiterführen. Im Laufe der Zeit lernen sie selbst ihren Beckenboden besser wahrzunehmen und schliesslich durch »kleine Tricks« die Belastung auf den Beckenboden in ihrem Alltag zu verringern, z. B. durch bewusstes Anspannen das Beckenbodens beim Heben von schweren Gegenständen. Wenn dieses Verhalten in Fleisch und Blut übergegangen ist, ist langfristiger Erfolg garantiert!
Zwölf Sitzungen werden von den Krankenkassen getragen.

Anwendungsgebiete der Beckenbodentherapie:

  • Gynäkologische Patienten
    • Inkontinenzformen
    • Senkungsbeschwerden
  • Urologische Patienten
    • Neoblase
    • Nach Prostaektomie
  • Proktologische Patienten
    • Stuhlinkontinenz
  • Bauchchirurgische Patienten
    • Darmoperationen
    • Geplante Stomarückverlegung
  • Sexuelle Störungen

Biofeedbacktherapie

Mit Hilfe der so genannten Biofeedbacktherapie können sie ihren Erfolg bei der Beckenbodentherapie selbst messen.

Hierzu dient ein kleines Gerät, das sie selber bedienen können, indem sie eine Messsonde in die Scheide oder einen Messkleber am Beckenboden anbringen. Sie bekommen dann ein direktes Signal (»Feedback«) darüber, wie stark sie ihren Beckenboden anspannen können. Das Institut für therapeutische Medizin verfügt über ein solches Gerät und benutzt es zur Diagnostik einer Beckenbodenschwäche. Wenn wir es in ihrem Fall für sinnvoll erachten, die Beckenbodengymnastik mit einem Biofeedbackgerät zu unterstützen, vermitteln wir ihnen bei einem separaten Termin eine Einführung in die Handhabung eines Biofeedbackgerätes.

Die modernen Geräte sind klein und sehr einfach zu bedienen, sodass sie die Therapie selbständig zu Hause durchführen können. Denn die Biofeedbacktherapie ist nur effektiv, wenn sie regelmäßig, am besten täglich, durchgeführt wird.

Biofeedbackgerät zur Diagnostik einer Beckenbodenschwäche 

Pessartherapie

Ein Pessar besteht aus gut hautverträglichem, weichem Kunststoff, er ist ring-, schalen- oder würfelförmig und wird in die Scheide der Frau eingeführt. Die Harnröhre wird so von unten stabilisiert und bei Senkungsbeschwerden die Organe vom Pessar gehalten.

Nachdem der Frauenarzt den Pessar der Größe nach angepasst hat, können sie ihn selbständig ein- und ausführen. Eine einfache Maßnahme, die schon helfen kann, den Urin beim Lachen, Niesen und Husten besser zu halten. Die Handhabung der Pessare ist leicht geübt. Nachdem er am Tag getragen wird, entfernt man ihn abends an der Rückholschlaufe und reinigt ihn.

Gestaltet sich das Vorgehen schwieriger, wie beispielsweise bei älteren pflegebedürftigen Frauen, kann ein Pessar auch bis zu vier bis sechs Wochen in der Scheide verbleiben und wird dann vom Frauenarzt gewechselt. Die Scheide muss dabei gut mit weiblichen Hormonen in Form von Creme oder Zäpfchen behandelt werden, da es sonst zu Entzündungen kommen kann.

Ringförmiger Pessar

Schalenförmiger Pessar

Würfelförmiger Pessar

Elektrostimulationstherapie

Ähnlich wie die Biofeedbacktherapie funktioniert die Elektrostimulationstherapie. Hierbei wird allerdings die Beckenbodenmuskulatur passiv, nämlich durch einen sanft fliessenden Strom von aussen stimuliert. Dies kann notwendig sein, wenn sie eine ausgeprägte Beckenbodenschwäche haben, und aktives Training noch nicht möglich ist. Im Anschluss an die Elektrostimulationstherapie kann darauf aufbauend Beckenbodengymnastik bzw. Biofeedbacktherapie erfolgen.

Auch hierbei übernehmen die Krankenkassen die Kosten für eine drei- bzw. sechsmonatige Therapie.

Vibrationstraining mit »Galileo«

In unserer Klinik steht ihnen ein sogenannter biomechanischer Vibrationstrainer (»Galileo«) zur Verfügung.

Durch seitenalternierende Wippbewegungen werden Dehnreflexe in der Muskulatur ausgelöst. So bewirken drei Minuten bei 25 Hertz ca. 4.500 Muskelkontraktionen. Der Trainierende hat dabei  keinen direkten Einfluss auf die Muskelaktivität. Die Einwirkung auf den Körper findet rein mechanisch, ohne elektrischen Strom oder Medikamente statt. Sie können lediglich durch die Steuerung der Intensität, der Körperhaltung, der Körpersteifigkeit, der Bewegungen und der Frequenzwahl das Therapieziel erreichen.

Schon mit niedrigen Frequenzen kann eine Verbesserung der Balance und Durchblutung erzielt werden. Eine allgemeine Verbesserung der Muskelkraft, der Koordination und der Stressinkontinenz kann durch mittlere Frequenzbereiche erzielt werden und mit hohen Frequenzen von 20 bis 30 Hertz werden sowohl eine Knochendichteerhöhung,  eine Verbesserung der  Muskelkraft, der Koordination, der Durchblutung, der Balance als auch eine Verringerung chronischer lumbaler Rückenschmerzen erzielt.

In neueren Studien gibt es eindeutige Hinweise darauf, dass bestimmte Übungen auch einen signifikanten Trainingseffekt auf die Beckenbodenmuskulatur haben und damit unterstützend zur Inkontinenztherapie eingesetzt werden können. In Abhängigkeit von Ihrem Trainings- und Gesundheitszustand werden wir mit Ihnen einen individuellen Übungsplan erarbeiten und mit kurzen Einheiten beginnen. Das hängt von dem gewählten Programm und natürlich von Ihrem Gesundheits- und Trainingszustand ab. Um Überlastungen zu vermeiden, wird mit einfachen und kurzen Einheiten begonnen.

Wann sollten sie von einem Training mit dem »Galileo« absehen?

Da die Übungen auf der Vibrationsplatte das Herz – Kreislaufsystem stark beanspruchen können, sollten sie das Training aufgeben, bei

  • Schwangerschaft
  • Erkrankung an einer Thrombose, einer akuten Entzündung oder bei schwerem Diabetes
  • Epilepsie oder schwerer Migräne
  • Vorhandensein eines Herzschrittmachers oder allgemeinen Herz-Kreislauf-Erkrankungen
  • Implantaten jeglicher Art (z.B. Gelenkendoprothesen, Platten), die seit Kurzem bestehen
  • Bandscheibenveränderungen

Im Rahmen der Inkontinenztherapie bieten wir Ihnen zwei- bis dreimal pro Woche ein solches Training bei uns in der Physiotherapie an. Leider ist das Training noch keine Kassenleistung, deshalb wird ein geringes Entgelt notwendig. Sprechen Sie uns an und vereinbaren Sie einen Termin.

Medikamentöse Therapie

Hormontherapie

Da Blasenschwäche und auch Senkung häufig mit einem Mangel and weiblichen Hormonen einhergehen, ist eine örtliche Behandlung mittels Hormonsalbe oder -zäpfchen beinahe immer sinnvoll.

Dranginkontinenz

Neben der Änderung des Lebensstils durch beispielsweise verändertes Trink- und Ernährungsverhalten stehen natürlich auch Medikamente zur Verfügung. Weit verbreitet ist die Anwendung von sogenannten Anticholinergikan, die die Blasenaktivität dämpfen und dadurch die Beschwerden der überaktiven Blase mildern. Unerwünschte Wirkungen wie z.B. Mundtrockenheit, Obstipation, Verdauungsstörungen und Herzklopfen können auftreten.

Belastungsinkontinenz

Als nicht operative Therapiemaßnahmen standen lange nur das Beckenbodentraining, die Elektrostimulation und die Verhaltensschulung (d.h. z.B. Gewichtsreduktion, Raucherentwöhnung etc.) zur Verfügung. Mittlerweile ist das Vibrationstraining auf dem »Galileo« hinzugekommen. Als Medikament gibt es einen Serotonin- und Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer, das so genannte Yentreve. Dabei wird über eine Stimulation der Sakralnerven der Tonus des äußeren Blasenschließmuskels erhöht und damit der Druck, der die Harnröhre abdichten soll, unterstützt. Die Wirksamkeit dieses Medikaments kann durch die gleichzeitige Kombination mit einem physiotherapeutisch angeleiteten Beckenbodentraining deutlich gesteigert werden.